Dienstag, Oktober 28, 2008

Big Brother Awards Austria 2008: Die Gewinner stehen fest

Wien (Österreich), 28.10.2008 – Am Abend vor dem Nationalfeiertag des vergangenen Wochenendes wurden wieder in ausgelassener Stimmung im Rabenhoftheater die Big Brother Awards vergeben. Neben internationalen Gästen haben auch heimische Künstler als Laudatoren die Nominierten und die Preisträger vorgestellt. Das Theater war bis auf den letzten Platz voll; einige Interessierte mussten abgewiesen werden. Im Publikum sind zwei Gäste besonders aufgefallen: Einer hatte eine Strumpfhose über den Kopf, und zwar die ganze Zeit über, der andere eine gelbe Warnweste mit der Aufschrift „IT-POLIZEI“ am Rücken. Beim Einzug der Moderatorin hatte diese ein Röntgenbild am Körper, eine Anspielung auf die geplanten „Nacktscanner“ auf EU-Flughäfen. Mit dem Zitat „Ohne Mohammeds Finger kriagt a sei eCard nimmer“ wurde darauf aufmerksam gemacht, dass die Politik plant, die eCard mit Foto und Fingerabdrücken „sicherer“ zu machen und vor allem Ausländern die Schuld an Sozialversicherungsmissbrauch gibt.
Laudatoren waren Stefan Kaltenbrunner, Herbert Hrachovec, Bady Minck, Barbara Mayerl, Martin Blumenau und der Schauspieler Reinhard Nowak. Durch das Programm führten Thomas Rottenberg und Dagmar Streicher. Special Guests waren Simon Davies von Privacy International, Ralf Bendrath und Meryem Marzouki. Für Unterhaltung sorgten ECLIPTICA, MTS und monochrom.

Die Gewinner sind:
In der Kategorie „Business und Finanzen“ hat Bruno Wallnöfer, Vorstandsvorsitzender der TIWAG, für seine Methode, mit 152.000 Euro mit Detektiven gegen Kritiker vorzugehen, gewonnen.
Im Bereich „Politik“ haben Günter Kößl von der ÖVP und Rudolf Parnigoni von der SPÖ für die umstrittene Novelle des Sicherheitspolizeigesetz nach dem Motto „Mir wern kan Richter brauchen“ gewonnen. Das novellierte Sicherheitspolizeigesetz erlaubt der Polizei, ohne richterliche Genehmigung Standort- und Verbindungsdaten bei Telefon-, Mobilfunk- und Internetservicebetreibern abzufragen.
Bei den „Behörden und Verwaltungen“ hat die Direktorin von Wiener Wohnen, Daniela Strassl, für eine anonyme Umfrage gewonnen, welche sich als nicht-anonym herausgestellt hat. Auch gab es von Wiener Wohnen oder dem sozialdemokratischen Wohnbaustadtrat der Stadt Wien, Michael Ludwig, nur Beschwichtigungen („es steht eh nur der Familienname“). Dass ein Strichcode der Kundennummer aufgedruckt war, wurde verschwiegen. Pikant: Bei der Umfrage gab es auch ein (freiwilliges) Gewinnspiel – dort mussten natürlich die persönlichen Daten angegeben werden.
In der Kategorie „Kommunikation und Marketing“ hat die UPC Telekabel Wien GmbH für die Weiterleitung von Tippfehlern in der Adresszeile eines Browsers an US-Firmen gewonnen. Es wurde bei allen Kunden installiert; wer es nicht will, muss sich aktiv abmelden. Eine Verständigung über die Installation erfolgte nicht.
Der „Lebenslanges-Ärgernis“-Preis, welcher eigentlich Elisabeth-Gehrer-Preis heißt, ging dieses Jahr an die Österreichische Post AG für ihr Vorgehen bei Nachsendeanträgen und Nachnahmesendungen und notorisches Datensammeln. Früher hatten Nachsendeanträge auf einer Postkarte Platz, nun benötigt man ein A4-Blatt und eine Datenweitergabe-Ermächtigung. Bei Nachnahmesendungen verlangt die Post vom Empfänger die Bekanntgabe von Geburtsdatum und -ort. Die Post war im Jahr 2001 der einzige Gewinner, der sich den Big Brother Award tatsächlich abgeholt hatte. Sie hatte jedoch das Kleingedruckte übersehen und dachte, es handele sich um einen Positiv-Preis, mutmaßte ein Kommentator auf der Bühne.
Der „Publikumspreis“ ging an die Telekom Austria TA AG, welche Kundendaten an die Porno-Industrie weitergegeben hat. Diese Nominierung und Preisvergabe hat der deutsche Gastlaudator Ralf Bendrath von der Aktion gegen Vorratsdatenspeicherung vorgestellt. Beim Verlesen der Rechteinhaber „Cazzo Film“ oder „Muschi Movie“ und der Tatsache, dass für die Abmahnung rund 800 Euro zu bezahlen wären, musste er – wie auch das Publikum – lachen. Die Telekom Austria hat jedoch für die Beauskunftung rund zwölf Prozent des verlangten Betrages mitgeschnitten.
Der Positivpreis „Defensor Libertatis“ ging an Meryem Marzouki, Kosmopolitin und Doyenne der Bürgerrechte im Informationszeitalter.
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